Der eigene Körper wird nach Traumen manchmal als Quelle von Stress und Unruhe oder sogar als bedrohlich erlebt, ruft er nicht die schauderhaften Erinnerungen wach? Sicherheit und Selbst-Vertrauen sind stark beeinträchtigt wie hilft hier Körperpsychotherapie?
Trauma: Ereignis, Folgen, Diagnose, Therapie Suchen Sie wegen eines Traumas therapeutische Unterstützung, also wegen den Folgen eines oder mehrerer Ereignisse? Ich habe hier zunächst das aus meiner Sicht wichtige Wissen zusammengetragen.
Körperpsychotherapie ist sehr wichtig, denn für Menschen sind nach traumatischen Ereignissen manche (Körper-)Reaktionen deshalb "normal", weil dabei erlernte Schutzmechanismen zu verselbständigten Reflexen geworden sind. Sie können dadurch im "normalen" Alltag extrem störend werden, etwa eine sehr geringe Lärmbelastbarkeit.
Man kann Traum-Folgen in 3 Reaktionsgruppen zusammenfassen: (vgl. DSM Diagnose posttraumatische Belastungsstörung, DSM = Standard Manual für Psychische Krankheiten)
- Wiedererleben, Flashbacks,
- Alpträume und Vermeiden; es kann sein, dass sie Details nicht erinnern (Missbrauch), und/oder alles zu vermeiden versuchen, was die Erinnerung wachrufen könnte.
- Erhöhte Erregung, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, körperliche Erschöpfung, seelische Instabilität, Stress.
Einerseits kommen diese Reaktionen alle auch in anderen Zusammenhängen vor (bei Zwangsstörungen, Ängsten ...), andererseits hat die Forschung auch gezeigt, dass Menschen unterschiedlich stark auf ähnliche Ereignisse reagieren (Kinder und Erwachsene, (in)stabiles soziales Umfeld oder Hintergrund ...).
Als therapeutisch wichtig erweist sich weiterhin auch, ob es um eine Naturgewalt geht, oder ob ein Mensch einem anderen das Leid zugefügt hat.
Der Vielfalt der Reaktionen entspricht auch hier eine Vielfalt der therapeutischen Ansätze. Vermeiden und Flashbacks sind am engsten mit dem Trauma-Ereignis verbunden. Sogenannte Expositionstherapien arbeiten auf unterschiedliche Weise damit, durch willentliches Erinnern und willentliche Konfrontation mit Triggern die Reaktionen abzumildern mit dem Ziel die Alltagseinschränkungen zum Verschwinden zu bringen. Erregung kann man auch medikamentös behandelt, auch als Begleittherapie. EMDR, Desensibilisierung mit Augenbewegungen, als Therapierichtung gehört auch zu den Expositionstherapien und arbeitet sehr zielgerichtet mit vergleichsweise kurzen Therapien und Therapeuten-Ausbildungsgängen.
Grundsätzlich andere Ansätze verfolgen SE®, Somatic Experiencing und NARM®, Neuroaffektiv Relational Model (neuroaffektives Beziehungsmodell). Hier dreht sich sozusagen alles, so würde ich sagen, zielgerichtet um (wieder)erlangen von Leben in Vertrauen und Sicherheit in der Welt und unter Mitmenschen. Sie arbeiten auf der Zusammenschau von neueren Forschungsergebnissen und zwar:
- Forschungen zur natürlichen, instinktiven Trauma-Verarbeitungsmechanismen,
- neurologischen Erkenntnissen über das Erinnern von Ereignissen und
- der Bindungstheorie, das heißt der zentralen Bedeutung des sozialen Umfelds für die Verarbeitung körperlicher und seelischer Verletzungen , für Resilienz und Therapie.
Wie funktioniert Trauma-Erinnerung, das Flashback? Obwohl es uns so zu sein scheint: Traumen sind nicht als abrufbare Filme im Körper oder Gehirn gespeichert, die dann plötzlich wie das Ereignis selbst wieder erlebt werden (was man unbedingt verhindern möchte)!
Es ist nachweislich ganz anders: nur die zugehörigen Sinneswahrnehmungen werden wirklich fest gespeichert (und zwar in jeweils für sie zuständigen (Sinnes-)Arealen im Gehirn). Unsere Erfahrungen, Geschichten, Traumen sind gespeichert in Form flexibler netzartiger Verbindungen zwischen solchen fest gespeicherten Sinneswahrnehmungen (vom Traumaereignis). Komplette Trauma-Erinnerungen sind also flexible Netze von fest gespeicherten, konkreten Sinneswahrnehmungen (aus der traumatischen Situation), d.h. Geräusche, Gerüche etc., (die zusätzlich mit einem hohen körperlichen Erregungsniveau verknüpft sind). Einzelne Sinnesreize, oder Gruppen wirken nun als Trigger, das heißt beim Wiedererleben nur einzelner Reize, wirkt das Netz: alle anderen gespeicherten Reize werden sozusagen automatisch dazu phantasiert. Es kommt uns dann so vor, als wäre alles jetzt wieder genau so (und bedrohlich und gefährlich) wie damals! Sie erleben einen Flashback.
Wenn wir nun aber lernenden, mit nur einen Sinnesreiz isoliert zu arbeiten, arbeiten wir an der flexiblen Vernetzung selbst, schaffen neue Netze und schwächen damit die Trauma-Vernetzung! Die hohe Erregung wird dann nicht immer und automatisch mit ausgelöst.
Solches therapeutisch hilfreiches Wissen, sogenannte Psychoedukation, informiert zunächst nur über physiologische Prozesse während eines Flashbacks, über das Erinnern und Speicherung von Ereignissen, Stressreaktionen in konkreten Situationen. Beruhigend wirkt sich nun dieses Vorwissen auf die folgende Arbeit in den Sitzungen aus mit einzelnen Aspekten der Traumareaktion, z.B. Lärm.
Was Traumatisierte erleben wird also zunächst für sie selbst verstehbar; Ständig und unkontrollierbar hohe, für Betroffene oft auch völlig unvorhersehbar einsetzende Erregung hat also immer bestimmte, manchmal belanglos erscheinende, oder nicht bemerkte Trigger. Sie werden erforscht, sukzessive abgebaut und das war der Kern des Gefangenseins im traumatischen (Wieder-)Erleben.
NARM, SE und Gerda Boyesen
Die Bindungsforschung hat nachgewiesen, wie verhängnisvoll ein Mangel an Zuwendung für unser ganzes Leben ist. Für den Säugling ist es folgenschwer, wenn Bezugspersonen nicht einfühlsam auf seine Bedürfnissen eingehen können (nach Nahrung, Wärme, Schutz und Anregung). Solche verhängnisvollen Erfahrungen, so genannte Entwicklungs-Traumen, beeinträchtigen lebenslang unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung, die Selbst- und Fremdfürsorge, allgemein die Resilienz. Es verwundert also nicht, dass solche frühen Erfahrungen sehr häufig zusätzliche Komplikationen beim Auflösen traumatischer Reaktionen im Erwachsenenalter (Lawrence Heller, Aline LaPierre) sind. Das Vertrauen in die Welt war vorher schon instabil.
Ein wesentlicher Aspekt in einer Definition von Trauma bezieht sich daher weniger auf das Erlebnis selbst als auf die Symptomatik und Reaktion nach dem Ereignis (die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung fasst eine Reihe von typischen Reaktionen zusammen, siehe oben). Die Trauma-Methoden, mit denen ich arbeite, gehen zentral - wie Gerda Boyesen in ihren Ansätzen - einerseits auf körper-seelischen Reaktion im Hier und Jetzt ein,
- insbesondere auf die Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem des Körpers (das Forschungsergebnis von Peter Levines SE-Traumaarbeit). Zentral sind hier die eingeschränkte Schwankungsfähigkeit zwischen Ruhe- und Aktivierungszuständen.
Stress z.B. ist eine ständig hohe Aktivierung, ein nicht mehr zur Ruhe kommen können.
Das Gegenteil ist das sich-nicht-aufraffen-können.
Oder ein unangenehmes Hin- und Herpendeln. Letzteres Beschreibt ein für viele sehr hilfreiche Buch: Elaine Aron: Sind sie Hochsensibel? Leider wird Trauma als mögliche Ursache (folglich eine Behandlungsmöglichkeit) hier nicht erwähnt.
- Mindestens genau so wichtig ist für meine Arbeit ein psychologischer Anteil bei jedem Trauma: ein traumatisches Erlebnis hat auch mein Vertrauen und mein Sicherheitsgefühl in der Welt und unter Menschen unterminiert.
Angst! Angst vor Wiederholung, Flashbacks von Ereignissen. Angst, Vertrauen und Sicherheitsgefühl sind aber immer auch mit unseren frühen Erfahrungen der Fürsorge und Einstimmung verknüpft. Deshalb ist es sehr hilfreich, achtsam und unterstützend bei der Traumatherapie auf die Beziehungs-Erfahrungen gerade in der Therapiesitzung einzugehen:
Wodurch fühlen Sie sich verstanden? Was erfahren sie als stützend, was als verunsichernd in der Therapie und im Alltag hier und heute? Das ist der große Unterschied zu den Expositionstherapien.
- Die unangenehmsten Reaktionen nach einem Trauma sind wohl plötzliches, unerwartetes, heftiges Wiedererleben von Erlebtem und die Angst genau davor. Angst versuchen wir oft zu bändigen in dem wir
entweder versuchen alle problematischen Situationen zu meiden,
oder immer wieder solche bedrohlichen Situationen (aufzusuchen und) zu überleben - mehr oder weniger bewusst! Ein wohlwollender Gedanke hinter letzterem wäre: Sie wollen dadurch endlich wirklich mit "Haut und Haaren" begreifen, dass sie überlebt haben, jetzt leben.
Genau diesem Ziel nähern sich die oben genannten Traumatherapie-Methoden auf sehr unterschiedliche Weise.
SE®, Somatic Experiencing. Der Kern dieses Ansatzes ist: Umgang und die Verarbeitung von lebensbedrohlichen Situationen ist ganz sicher ein natürlicher körperlicher Prozess. Ohne einen solchen natürlichen Prozess hätte die Menschheit vermutlich nicht überlebt, nicht wahr? Diesen Prozess können wir nun zurückerobern. Wie das geht, hat Peter Levine erforscht und zu einer Methode ausgebaut. Sie nennt sich Neuroaffektiv, das real erlebte Ereignis steht nicht im Zentrum, sondern ihre physiologisch-emotionale Reaktion. Es ist kein Expositionsverfahren!
Die neurologischen Untersuchungen zur Stressforschung und Traumaauswirkungen von Peter Levine zeigen, es ist äußerst hilfreich den Zugang ganz restriktiv und gezielt über die rein körperlich erlebten Reaktionen zu wählen ("Und wie erfahren Sie das genau jetzt in Ihrem Körper? wo und was geschieht dort?, und was geschieht jetzt?"): Es geht also darum im hier und jetzt der therapeutischen Sitzung beobachtend zu erfahren, wie und das ihr Körper Angst ausdrückt und diese körperlichen Reaktionen bewusst wahrnehmen zu lernen und sodann zu erleben, wie sie sich dadurch tatsächlich auf natürliche Weise verändert.
NARM®, NeuroAffectiveRelational Model. Hier handelt es sich um eine Erweiterung und Modifikation der Ansätze von SE (ihr Begründer, L.Heller ist auch Seniorausbilder in SE). In der NARM-Arbeit wird der neuroaffektive Integrations-Prozess auf eine andere Weise eingeleitet und begleitet. Es hat sich auf dem Hintergrund der Erfahrung mit SE als sehr förderlich, manchmal als notwendig erwiesen, im Therapie-Prozess selbst, Vertrauen, Bezogenheit und Schutz in der therapeutischen Arbeit in den Blick zu rücken und immer wieder anzusprechen.
In der (neuroaffektiven) Arbeit am Trauma immer wieder die aktuelle therapeutischen Beziehung wahrzunehmen: Vertrauen und Unterstützung, oder deren plötzlichen Verlust explizit therapeutisch einbeziehen. Dem Beziehungserlebens im hier und jetzt der Sitzung Raum geben: Unsicherheit, Unverbundenheit, oder Eigenständigkeit und Sicherheit benennen. Gerade in der Bearbeitung einer traumatischen Verletzung, die aktuelle Verbindung in der therapeutischen Situation bewusst wahrnehmen und erfahren und verändern zu können, ist besonders fruchtbar für die Verarbeitung von Traumen.
Gerade weil die frühe Beziehungserfahrung, wie Verstanden werden, Unterstützung und Sicherheit zu Erfahren bei sehr vielen - und insbesondere aber sehr oft bei traumatisierten Menschen- nicht fördernd und instabil war, beeinträchtigt dieser Beziehungs-Aspekt sowohl Resilienz als auch Auflösung von Traumaauswirkungen.
Dieser Beziehungshintergrund verstärkt die Beeinträchtigung und behindert die auflösende Verarbeitung des Traumas, wenn sie nicht im Blick ist.
Psychoedukation beinhaltet hierbei für Sie konkret: vieles, was Sie als außergewöhnlich erleben, ist nach so einer extremen Erfahrung also normal! und ist eine natürliche Funktion für Ihren Schutz aber auchdie natürliche Auflösung der Beeinträchtigung. Das erfahren Sie mit der schrittweisen Rückeroberung von Selbstwirksamkeit: Sie erkennen dann die Anzeichen,das Auftauchen von Erinnerung und Angst (der Trauma sog beginnt) und Sie lernen hier im Miteinander der therapeutischen Beziehung steuernd einzugreifen, bevor Sie tiefer in die Überforderung und Hilflosigkeit und ein Wiedererleben zu rutschen drohen.
Sie erfahren sich dadurch beim Eingreifen und Steuern in einem Prozess, der im Trauma selbst entstand und in einen immer wieder als unausweichlich erlebten, lebensbedrohlich erfahrenen Ablauf verschmolzen war (dem Traumanetz der Sinneserinerungen).
Meine Arbeit mit diesen Ansätzen legt großen Wert auf einen Unterschied zwischen Peter Levines SE® Somatic Experiencing und Lawrence Hellers NARM®, deshalb betone ich ihn nochmal.
- SE hebt stark auf die Reregulierung der Physiologie ab.
- Der NARM-Ansatz von Lawrence Heller entwickelte (aus seiner langjährigen Erfahrung mit SE) eine beziehungsbasierte Methode, weil unter schock-traumatischen Reaktionen im Erwachsenenalter frühe Traumen liegen, die die Entwicklung von Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt haben ("Entwicklungstraumen"). Wirkliche Trauma-Resilienz oder Symptomfreiheit wird oft nur erreicht, wenn neue Beziehungserfahrungen bewusst erlebt werden, gerade während der Traumabearbeitung.
Diese Erfahrung, einer Selbstwirksamkeit im Umgang mit (der Auflösung von) Trauma-Folgen ist etwas, was der von Gerda Boyesen propagierten therapeutischen Haltung entspricht, immer Kern des therapeutischen Prozesses sein soll: Wohlbefinden in Verbundenheit in der Therapiebeziehung ist auch Verbindung mit unserer Primärperson (dem Urvertrauen in dem kleinen Menschen, der in der Erwartung geboren wird, freudig empfangen, genährt, geschützt und gefördert zu werden, Gerda Boyesen). Das ist Therapie ohne Forderung nach Unterwerfung und Machtansprüchen. In diesem Sinne ist auch die Verwendung des Stethoskops, also die offensichtlich gegenständliche Achtsamkeit für Ihre vegetativen Reaktionen (Psychoperistaltik Gerda Boyesen), ein Symbol der kooperierenden Zusammenarbeit von TherapeutIn und KlientIn im therapeutischen Prozess (siehe oben).